3 Fragen an CTO Sandro Felder

AI bietet enormes Potenzial – doch die Herausforderung liegt darin, die richtigen Einsatzmöglichkeiten zu finden. Viele Unternehmen tun sich schwer, AI-Potenziale systematisch zu identifizieren und direkt umsetzbare Use Cases zu definieren. Diesen Monat:

1. Welche Fehler machen Unternehmen häufig, wenn sie AI-Potenziale identifizieren?


Ein häufiger Fehler ist, dass Unternehmen von Anfang an nach den «GoldenUse Cases» suchen – also nach denjenigen, mit denen der grösste Wettbewerbsvorteil erzielt werden kann. Das Problem dabei: Diese Use Cases erfordern oft grosse Investitionen in Bezug auf Zeit, Geld und Ressourcen. Dadurch geraten sie ins Stocken oder werden gar nicht erst umgesetzt, weil die Organisation nicht genügend Spielraum hat, um sie erfolgreich durchzuziehen.

Deshalb empfehlen wir, zuerst mit kleineren, einfach umsetzbaren Use Cases zu starten. So können erste Erfahrungen gesammelt, Mitarbeitende mitgenommen und die Organisation auf den Wandel vorbereitet werden. Unternehmen lernen dadurch nicht nur, wie man AI Use Cases erfolgreich umsetzt, sondern schaffen auch das nötige Vertrauen und erwerben die Kompetenz, um später grössere, strategische AI-Initiativen effizienter anzugehen.

2. Welche einfachen AI Use Cases eignen sich besonders gut für einen ersten Proof of Concept – was sind «Low-Hanging Fruits»?


Wir empfehlen Unternehmen, klein anzufangen und Schritt für Schritt Jobs an die AI abzugeben, anstatt direkt ganze Prozesse zu automatisieren. Der Schlüssel liegt darin, iterativ zu lernen, wo AI sinnvoll eingesetzt werden kann und wo sie noch an Grenzen stösst.

Ein klassisches Beispiel ist die Automatisierung von Meeting-Protokollen. Wer regelmässig Protokolle schreibt, kann eine AI nutzen, um Notizen zu erfassen, zusammenzufassen oder Action Points herauszufiltern.

Ein weiteres gutes Feld wäre, eine E-Mail-Mailbox zu automatisieren, automatische Antworten zu erstellen oder an Spezialist:innen weiterzuleiten, die sich des Falles annehmen. Das spart Zeit und zeigt schnell, was AI heute schon leisten kann – und wo noch menschliche Kontrolle nötig ist.

Diese kleinen Schritte sorgen für schnelle Erfolge und helfen, die Akzeptanz von AI in der Organisation zu erhöhen.

3. Wie kann ein Unternehmen systematisch herausfinden, wo AI echten Mehrwert schafft?


Wir nutzen dafür unsere eigene Methode: AI Job Engineering (AIJE). Im Kern geht es darum, wiederkehrende «Jobs» im Unternehmen – also einzelne Aufgaben oder Tätigkeiten – systematisch zu analysieren und zu bewerten.

Die zentrale Frage ist: Wie viel Zeit, welche Ressourcen und welche Wiederholungsrate erfordert eine Aufgabe? Das Beispiel von oben: Meeting-Protokolle schreiben ist eine zeitaufwendige, wiederkehrende Tätigkeit mit hohem Automatisierungspotenzial. Hingegen wäre eine einmalige strategische Entscheidung, die tiefes Fachwissen erfordert, weniger geeignet für eine AI-Automatisierung.

Sobald wir die wichtigsten Jobs identifiziert haben, betrachten wir sie mit unserem eigens entwickelten AI-Canvas aus verschiedenen Blickwinkeln: Welchen Pain adressieren sie? Welches konkrete Problem wird gelöst? Wie einfach ist die Umsetzung? Welche Risiken oder ethischen Fragestellungen sind damit verbunden? Diese strukturierte Analyse hilft, Unsicherheiten frühzeitig zu erkennen und zu bewerten, ob AI tatsächlich die richtige Lösung für diesen Job ist – oder ob es vielleicht effizientere Alternativen gibt.

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Ein weiterer zentraler Aspekt bei der Priorisierung ist die gemeinsame Sichtweise auf das Thema AI, welche ich im letzten Q&A angetönt habe. Ein abgestimmter Blick schafft den Rahmen, welcher uns hilft, auf das Richtige zu fokussieren und gezielt die Use Cases auszuwählen, die nicht nur mit dem grössten Potenzial locken, sondern auch strategisch und kulturell zum Unternehmen passen.

Auf Basis dieser Bewertung entsteht ein priorisiertes Backlog, das Unternehmen als klare Roadmap nutzen können. Statt wahllos AI-Experimente zu starten, wird gezielt dort angesetzt, wo AI den grössten Mehrwert bringt – mit überschaubarem Risiko und realistischen Erfolgschancen.